Ins Herz gehen, nach dem Herzen leben, dem Herz folgen, aus dem Herzen kreieren – es gibt mehr und mehr Bücher, Kurse und Onlinebeiträge zu diesem Thema. Ob man über die Meditation kommt, den Tanz, den Gesang, den Schamanismus, Lichtsprache oder die Chakrenarbeit, ob einem der pazifische oder der atlantische Raum mehr liegt, eine inspirierende Frau oder ein inspirierender Mann die Worte findet, die einen erreichen: Wir leben in einer Zeit, in der spirituelles Wachstum zu einem Breitensport geworden ist. Ich finde das großartig und halte das auch für politisch, weil es neue Parameter braucht, um die Probleme dieser Welt zu lösen.
Allerdings setzen die meisten Ideen, Programme etc. in dem Moment an, in dem man die Welt der Gedanken schon verlassen und die der Gefühle bereits erreicht hat. Das aber ist für viele durchaus ein längerer Weg, der dann schon gegangen sein muss. Und durchaus nicht nur für die Älteren, die Jahrzehnte der Selbstregulierung und Selbstbegrenzung hinter sich haben.
Wenn die innere Landkarte noch keinen Weg zeigt
Ich nahm einmal an einem Seminar teil, in dem es sehr tief und fast wissenschaftlich um das ging, was man vom Herzen aus für sich und die Welt erreichen kann. Eine Vorübung war eine Atempraxis, bei der man sich in Liebe mit der Erde und dem Himmel verbindet – und auch Liebe von dort empfängt. Ein junger Mann, der sehr interessiert und medial durchaus erfahren war, zeigte sich dabei vollkommen verstört, weil das für ihn nicht funktionierte. Er empfand nichts, er empfing nichts, die ganze Übung war für ihn nur Text. Und mehr noch. Er sagte, in dem Moment, als in der Meditation von der Liebe der Erde gesprochen wurde, habe er sofort gedacht: Mich liebt die nicht!
Was war passiert? Seine innere Landkarte zeigte keinen Weg vom Kopf ins Herz. Und das vermutlich aus einem guten Grund. In einem anderen Setting wäre dies ein wunderbarer Moment gewesen, den Schmerz zu erkennen. Hier aber ging es um Dinge jenseits des Schmerzes. Umsichtigerweise war im Kleingedruckten dieses Seminars darauf hingewiesen worden, dass eventuelle persönliche psychische Probleme nicht aufgefangen werden könnten. Man musste ihn also damit alleinlassen.
Wobei ich selbst bei dem schmerzlichen Glaubenssatz, nicht liebenswert zu sein, nicht von einem psychischen Problem sprechen würde. Tatsächlich ist es leider fast das Normale: Nicht liebenswert zu sein, nicht gut genug oder im Gegenteil zuviel zu sein, sind Überzeugungen, die aus den meisten Kindheitstraumata resultieren. Und solange der Schmerz darüber im Herz lauert, wird das persönliche Überlebenssystem eines Menschen den Weg ins Herz nicht so leicht freigeben.
Wie der Weg zum Herzen frei wird
Auch Angebote von Körperreisen oder eine Aktivierung des Herzchakras reichen da in der Regel nicht aus. Es braucht vielmehr Aufklärung darüber, warum es so ist, wie es ist, und dass hier ein Schutzprogramm wirksam ist. Der Verstand muss ein kleines Stück mitgenommen werden. Und dann muss dieses Schutzprogramm gelöst werden, bevor der Schmerz selbst erlöst wird – und der Weg ins Herz Schritt für Schritt frei wird.
Wer du für dich selbst sorgen oder herausfinden willst, wie nah du dem Herzen kommen kannst, dann rate ich zu Verabredungen mit dir selbst in der Stille, bei denen du die Gedanken zur Ruhe bringst und erforschst, wie offen der Zugang ist. Dazu ist es hilfreich,
- zuvor kein Koffein zu sich genommen zu haben, weil Koffein das Gehirn aktiviert
- eine Schlaf- oder Meditationsmaske zu tragen, weil Licht ebenfalls das Gehirn aktiviert
- die Wirbelsäule aufrecht zu halten und die Beine nicht übereinanderzuschlagen (es sei denn im Yogasitz)
- sich eine Uhr zu stellen, um die Gedanken über die Zeit abzugeben
- und dann ruhig und rhythmisch zu atmen und die Wahrnehmung ganz auf das Fließen des Atmens zu richten
- aufkommende Gedanken lässt du vorbeiziehen wie Wolken, verfolge sie nicht
- und wenn du dich vollkommen ruhig und wohl fühlst, richtest du, während du atmest, deine Aufmerksamkeit auf deine Füße und nimmst wahr, wie sie auf dem Boden stehen oder die Fersen ein Kissen berühren. Mach das so lange, bis du wirklich merkst, dass du die Füße oder Fersen anders spürst als zuvor
- dann wandere mit deiner Aufmerksamkeit zu deinen Knien, deiner Sitzfläche, deinen Ellbogen, deinen Schultern, deinen Händen
- und schließlich zu deinem Herzen. Nimm wahr, wie es schlägt, wie es im Körper pulsiert
- und nimm wahr, ob und was du dabei fühlst.
Das Herz ist ein heiliger Raum
Bleibe bei der langsamen Annäherung auch dann, wenn du die Übung mehrfach machst. Nicht so: Hey Herz, her mit den Gefühlen! Es ist ein heiliger Raum, da nähert man sich mit Respekt – vor dir selbst.
Schreib mir gern, wenn sich für dich daraus Fragen ergeben oder du den Wunsch hast, hier etwas zu lösen. Wenn du den Weg ins Herz gut findest und dort auch fühlst, was du fühlen willst, dann sei herzlich beglückwünscht und ermutigt, unter den reichhaltigen Ressourcen und der vorhandenen Weisheit neugierig und voll Freude auszuwählen, was dir weiter dient.
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