Wenn nichts mehr geht und man trotzdem nicht loslassen oder innehalten kann

Ist dir gerade alles zuviel, scheint nichts zu gelingen und hast du das Gefühl, in einer Zeitschleife gefangen zu sein, weil sich immer wieder die gleiche Art von Erfahrung einstellt? Du weißt, dass du langsamer und weniger machen solltest – aber du kannst einfach nicht, weil alles gleich wichtig scheint und es auch wichtig scheint, alles gleichzeitig zu machen?

Wachst du morgens schon mit Herzrasen auf und hetzt dann von Termin zu Termin, nach der Arbeit zu einem Treffen, dann vielleicht zu noch einem – immer mit schlechtem Gewissen, weil du weißt, dass du für alles zu wenig Zeit hast? Oder fühlst du dich beim Aufwachen wie gelähmt, schleppst dich ins Bad, um dann bis abends ohne Empfindung zu funktionieren wie ein Automat? Und wenn dich jemand fragt, wie es dir geht, brichst du in Tränen aus? Willkommen im Burnout.

Ermüdungsbruch des Überlebensprogramms

Wobei ich mit „Burnout“ hier umgangssprachlich den Zustand vollkommener mentaler Erschöpfung meine, der sich einstellt, wenn man konsequent die eigenen Bedürfnisse ignoriert. Klinisch, beziehungsweise nach Auffassung der Weltgesundheitsorganisation im ICD-11, ist ein „Burnout“ inzwischen zwar tatsächlich eine Diagnose, aber nur im beruflichen Kontext, als Folge von chronischem Stress.

Aber darüber, dass man auch ohne Erwerbsarbeit in dieser Zustand geraten kann, dürfte es ja keinen Zweifel geben. Tatsächlich geht das sogar ohne Kinder oder zu pflegende Angehörige. Und letztlich sogar ohne allzu großen realen äußeren Druck. Denn aus meiner energetischen Sicht ist ein Burnout, das Gefühl völligen Ausgebranntseins, eine Art Ermüdungsbruch des Überlebensprogramms und eine Reaktion auf innere Not mindestens ebenso wie auf äußeren Zwang.

Die Parameter, nach denen du dein tägliches Tuns ausrichtest, sind in der Regel nämlich nicht die eigenen. Nimm dir mal ein Blatt und einen Stift (ja, analog!) und geh jede einzelne Aktivität deines Tages durch. Schreib auf, was du tust, und warum du es tust. Zum überwiegenden Teil werden die Gründe sein, dass du Ansprüche befriedigst, die an dich herangetragen werden, Dinge tust, um etwas Bestimmtes zu verhindern, Bildern zu entsprechen oder anderen zu gefallen versuchst.

Du glaubst, du musst immerzu etwas leisten

Du rackerst dich vielleicht ab, um erfolgreich, attraktiv, hilfreich und sympathisch zu sein, mit anderen Worten: um dich sicher und geliebt zu fühlen. Was natürlich nicht gelingt. Du fühlst dich im Gegenteil unzureichend und unsicherer denn je. Oder du drehst am Rad, um einen bestimmten Schmerz nicht zu fühlen, ein Bedürfnis zu unterdrücken, eine Gewissheit zu ignorieren – aus Angst dazu zu stehen, aus Angst dich zu zeigen oder dein Leben ändern zu müssen. Veränderung kommt dir als existenzielle Bedrohung vor, lieber beißt du die Zähne zusammen, um die Fassade aufrecht zu erhalten, dass alles so gut ist, wie es ist.

Es gibt noch mehr Motive als diese. Allen liegt die Überzeugung zugrunde, dass du etwas zu leisten hast, von dem du denkst, dass es für deinen Fortbestand auf dieser Erde elementar sei. Dass du dich anstrengen musst, war für dich immer selbstverständlich. Aber jetzt kannst du nicht mehr. Jetzt willst du vielleicht auch nicht mehr. Tief in deinem Inneren regt sich Widerstand gegen den Zwang, den du dir selbst auferlegst.

Warum Zwang? Es gäbe ja Alternativen und Lösungen. Aber die gestattest du dir nicht. Du gibst keine Aufgabe ab, lässt kein Treffen aus, akzeptierst keine Hilfe von außen, auch wenn sie organisiert werden könnte. Es geht nicht, in dir verkrampft sich alles, wenn du nur darüber nachdenkst, du denkst, du MUSST das schaffen. Und doch schaffst du es nicht, wie du jetzt merkst: Du kannst nicht mehr weiter.

Tempo runter, rechts ranfahren, anhalten!

Was also tun? Tempo drosseln, rechts ranfahren und stehenbleiben, ist leider die einzige Möglichkeit. Wenn du das nicht von selbst tust, wird sich das Leben etwas Zusätzliches einfallen lassen, um diesen Job für dich zu erledigen, und nach einer Angststörung und zwei Knochenbrüchen, die ich selbst erlebt habe, muss ich sagen, dass das wohl eher selten die bessere Idee ist. Dieser Ermüdungsbruch des Systems sollte genügen. Erkenne ihn an, erkenne dich an. Du musst dein Leben selbst ändern. Und zwar so, dass es endlich zu dir passt.

Der Markt hält inzwischen Angebote aller Geschmacksrichtungen zur Entschleunigung bereit. Das Billigste, Schlichteste aber vielleicht auch Schwerste, ist meiner Ansicht nach, stillzusitzen und bewusst zu atmen. Ich setze dazu gerne eine Schlafbrille auf, die völlige Dunkelheit beschert. Sitzen, nur lauschen und atmen. Direkt von der Autobahn des Lebens kommend, wird man zunächst vielleicht etwas Aktiveres bevorzugen, aber irgendwann sollte es auf die eine oder andere Weise zur Innenschau kommen. Denn wie Freude und Leichtigkeit in dein Leben (zurück)kommen, erfährst du nur, wenn du dir ansiehst, was durch deine jahrelange Überaktivität überdeckt werden sollte.

Und die gute Nachricht ist: Freude und Leichtigkeit kommen auch (zurück). Wie ausgebrannt du dich auch jetzt fühlst: Asche ist fruchtbar. Du kannst deinen eigenen Bedürfnissen gerecht werden und musst dich dafür nie wieder so anstrengen wie bisher. Du brauchst dazu den Mut, innezuhalten und dich zu erholen, um dann einen anderen Weg einzuschlagen. Und die Offenheit, diesem dann dorthin zu folgen, wohin er dich führt.

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