Die erwachsenen Kinder haben keine Pläne? Hab Vertrauen und sorge dich um dich selbst

Jetzt im Sommer werden wieder viele junge Leute aus bisher geordneten Verhältnissen ins Leben entlassen. Aus der Schule, Universitäten, Ausbildungsplätzen. Und diese jungen Leute haben Verwandte, Nachbar*innen – aber vor allem Eltern, die wissen wollen: Und, was jetzt? Was machst du als nächstes, was ist dein Plan? Aber da ist oft kein Plan. Manchmal noch nicht einmal eine Idee. Irgendwas mit Medien ist nicht mehr attraktiv, mit Informatik braucht man gar nicht anfangen, den Bereich übernimmt KI binnen weniger Jahre, Pflege – nein!, vielleicht ein Handwerk, wenn man im ländlichen Raum wohnt, aber erst nochmal sehen, Schauspiel vielleicht – oder Kunst?

Und da werden die Eltern dann nervös. Sie sind ja nicht so engstirnig wie ihre eigenen Eltern: das erwachsene Kind darf von ihnen aus alles machen, was es will, aber es soll bitte ETWAS machen und nicht nichts! „Wenn du dich jetzt nicht entscheidest, ist der Zug abgefahren und du kommst nirgendwo mehr rein!“ heißt es dann.“ Oder: „So jung bist du auch nicht mehr, wie stellst du dir das vor?“ Oder womöglich: „Du bringst dich in eine existenzbedrohende Situation!“ Diese Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder. Aber diese, die störrischen – sie geben es ihnen nicht.

Konditionierungen werden oft über Generationen durchgereicht

Keine Frage: Als Eltern möchte man seine Kinder in einer Spur sehen. Versorgt, mit einer interessanten Tätigkeit betraut, in der sie eine Qualifikationsstufe nach der anderen erlangen, sie sollen Freund*innen haben, nett wohnen, bescheiden leben, fleißig sein und genügend Geld verdienen. Und ich wette, die jungen Leute, die die Kinder sind, wollen das selbst auch – sie wissen nur noch nicht in welchem Bereich und wo und wann und mit wem. Aber: Sie werden es herausfinden und bis dahin irgendwie überleben – und dies umso besser, wenn ihre Eltern sie nicht mit Vorwürfen überhäufen, sondern: mit Vertrauen.

Vielleicht fällt das leichter, wenn ihr euch bewusst macht, dass es eure Ängste und Bedenken und Einschränkungen und Unsicherheiten sind, die ihr auf eure Kinder projeziert. Dass diese Gedanken und Konzepte vielleicht auch an euch schon weitergereicht worden sind, von euren Eltern – und diese haben sie wiederum von ihren Eltern – macht die Sache nicht besser. Es sind Konditionierungen, die schlicht nicht hilfreich sind. Auch für euch selbst nicht.

Nur wer selbst genug Sauerstoff hat, kann anderen beitragen

Jedes Katastrophisieren, jeder Druck, jedes Herabwürdigen ja sogar Kommentieren von dem, was ein anderer will oder nicht will, jede Verengung verletzt euch selbst und eure Möglichkeiten. Fehlendes Vertrauen in andere ist fehlendes Vertrauen in sich selbst. Wer sich gestattet, seine Neigungen und Träume auszuleben, muss niemanden hinter sich auf den gleichen Weg ziehen. Nur die Selbstbeschränkung braucht Gesellschaft.

Eine sinnvolle Art, sich um die Zukunft der eigenen Kinder zu sorgen ist daher, die Verantwortung für das eigene Wohl zu übernehmen. Das ist nicht anders als bei Notfällen im Flugzeug: Nur wer selbst genug Sauerstoff hat, kann anderen beitragen. Also: Welches Bedürfnis zeigt sich denn bei dir, wenn es dich um den Schlaf bringt, dass die Jüngste ihren Ausbildungsplatz verlassen hat, weil sie die Arbeit dort nicht ertragen hat? Was gibt es zum Beispiel bei dir, was du auch lieber nicht länger ertragen würdest – ohne dir dies zu gestatten (Da muss man eben durch?) Dieser Perspektivwechsel könnte für die ganze Familie heilsam sein.  

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